Lobende Erwähnungen der Jury

BYE BEAR

Deutschland 2023, 11 Minuten / Regie Jan Bitzer

Wer bin ich? Und was bin ich? Der Blick in den Spiegel kann da eigentlich helfen – weil wir dann das sehen, was Shakespeare und Hildegard von Bingen und alle anderen auch als Tor zur Seele beschrieben haben: unsere Augen. 
Aber genau die bekommen wir in dem Animationsfilm, dem wir unsere lobende Erwähnung aussprechen wollen, nie zu sehen. Tiermasken mit Höhlen statt Augen werden hier auf Köpfe gestülpt und genau wie die namenlose Hauptfigur mit Bärenmaske vor dem Spiegel steht und ihr Fell bürstet, so schauen auch wir als Publikum 10 Minuten lang ins Leere. Und suchen nach dem, was uns als Mensch angeblich von allem anderen auf der Welt unterscheidet, nach der Seele.
Was aber, wenn Bewusstsein, Sehnsucht oder Exzess nicht exklusiv uns Menschen vorenthalten sind – und was, wenn es am Ende „nur“ Maschinen hinter Tiermasken sind, die unsere „natürlichsten“ Eigenschaften übernehmen? Was ist das dann überhaupt noch: Menschlich sein? 
Dieser kluge, technisch perfekte und dabei zutiefst berührende Film hat uns schwer beeindruckt und unsere Jurybesprechung in eine philosophische Diskussion verwandelt.

Meat Puppet

United Kingdom 2024, 12 Minuten / Regie Eros V

Man muss wahrscheinlich davon ausgehen, dass diese britische Komödie um einen dämonischen Muppet der lustigste Kurzfilm ist, der je gedreht wurde.
Hier stimmt einfach alles: millimetergenau durchgetaktet, absolut stilsicher getextet, inszeniert, fotografiert, vertont und auch noch farblich außergewöhnlich gestaltet. Das Drehbuch überrascht mit Konflikten, menschlichen Fehlentscheidungen und charmanten Wendungen – bis nach dem Abspann.
Wir hoffen, dass der Regisseur eines Tages vielleicht sogar einen Langfilm aus diesen verrückten Zutaten zaubern wird!

VIOLET

Deutschland 2024, 21 Minuten / Regie Laura Engelhardt / Kunsthochschule der Medien Köln

Wir möchten einen Film mit einer lobenden Erwähnung würdigen, der die Grenzen zwischen der Unschuld der Kindheit und dem Erwachen der Sexualität auslotet.
Der 12-jähirge Dan leidet an Skoliose, sein Körper in einem engen Korsett gefangen erfährt kaum Zärtlichkeit, seine Mutter telefoniert sich durch endlose Warteschleifen, medizinische Unterstützung gibt es kaum. Einzig Anna, seine ein paar Jahre ältere Babysitterin, ist Ankerpunkt, Vertraute, vielleicht Seelenverwandte. Doch die Verbindung zwischen den beiden entwickelt eine Intensität, die über die reine Geschwisterlichkeit hinausgeht und eine neue Ebene erreicht.
Der Film von Regisseurin Laura Engelhardt ist eine nuancierte und gleichzeitig beunruhigende Studie über die Komplexität menschlicher Bindungen, über die Tiefen der Einsamkeit und die Sehnsucht nach Nähe. Der Film sucht nicht nach Schuld, stellt vielleicht die Frage nach Verantwortung und entlässt das Publikum im Unbehagen, selbst Antworten finden zu müssen.

Tilt (D-A-CH Wettbewerb, Deutschland) von Björn Schürmann

Die Begründung der Jury:

Sanitäterin Anna kämpft darin nicht nur um die Bewältigung eines aus dem Ruder gelaufenen Rettungseinsatzes, sondern auch gegen die fortwährende Diskriminierung durch ihren Kollegen.
Ein dichter, kurzer Film, der ganz von der physischen Präsenz der Protagonistin getragen wird und zugleich einen kraftvollen Wirkungstreffer setzt gegen männliche Bevormundung.

Kaltmiete (Beste Komödie, Deutschland) von Marc Philip Ginolas,

Hochschule für Fernsehen und Film München

Die Begründung der Jury:

Ein obdachloser Altenpfleger wird in eine Abfolge von unangenehmen Situationen verwickelt, als am 100. Geburtstag seine reiche Patientin Geraldine an dem vom ihm gerollten Joint verstirbt und er ihren Tod mühsam zu vertuschen versucht.
Mit klassischen schwarzweiss Bildern, spritzigen Dialogen und herrlichem Humor erzählt „Kaltmiete“ von den Nöten der Wohnungssuche und Leichenentsorgung.

Memoir Of A Veering Storm (Internationaler Wettbewerb, Griechenland) von Sofia Georgovassili

Die Begründung der Jury:

Der Film schafft es auf berührende und zärtliche Weise, das Thema Schwangerschaftsabbrüche neu zu zeigen. Eingebettet in den poetischen Rahmen eines sich anbahnenden Sturms – symbolisch für die Abtreibung – bricht der Film mit überdramatisierenden Mustern. Statt den Prozess mit abwesenden Männerfiguren und stigmatisierenden Ärzten zu erzählen, begleiten wir den Konflikt der Hauptfigur mit unaufgeregtem Blick in seiner gesamten Komplexität.

Überleben (DOK Blocks, Deutschland) von Lara Milena Brose & Kilian Armando Friedrich

Hochschule für Fernsehen und Film München

Bato Nebo – Chants To The Gods (DaHome Award, Österreich) von Luzia Johow,

Filmakademie Wien

Die Begründung der Jury:

BATO NEBO spricht nur durch die mehrstimmigen Gesänge der Protagonisten zu uns und vermittelt über uralte Traditionen und eindrucksvolle Gesichter ein Gefühl von Heimat, das den Zuschauer mit einschließt.

Man Or Tree (Deadline_Award, Großbritannien) von Varun Raman & Tom Hancock

Die Begründung der Jury:

MAN OR TREE von Varun Raman & Tom Hancock ist urkomisches und existentialistisches Kino mit einfachsten Mitteln. Der verzweifelte Kampf eines Mannes – oder Baumes – um seinen eigenen Verstand.

The Seine´s Tears (Animationswettbewerb, Frankreich) von Yanis Belaid, Eliott Benard, Nicolas Mayeur, Etienne Moulin, Hadrien Pinot, Lisa Vicente, Philippine Singer, Alice Letailleur

Die Begründung der Jury:

Eine Geschichte aus der Geschichte, die gerade heute ihre Relevanz zeigt. Beeindruckend animiert und mit einem so verstörenden wie lyrischen Finale, das unter die Haut geht.