Lobende Erwähnungen der Jury

Warum begeht Helen Koch schweren Kraftwagen Diebstahl von Moritz Geieser,
Germany 2022

Die lobende Erwähnung gilt einem Film, der sich in kein Genre packen lässt. Was zu Beginn als Sozialdrama anmutet, driftet ab in eine Computerspielatmosphärische Welt der Gewalt, in der es auch für uns Zuschauer immer schwerer wird zwischen Realität und digitaler Scheinwelt zu unterscheiden. Dieses Spiel zwischen den beiden kraftvollen Protagonistinnen erschreckt und endtabuisiert gleichzeitig weibliche Aggression auf radikale Weise.

gschichtl von Franz Quitt, Austria 2022, Filmakademie Wien

Die Jury vergibt eine lobende Erwähnung einen Kurzfilm, der das mögliche Ende einer Liebesbeziehung zweier junger Menschen zeigt. Der Film beobachtet präzise die emotionale Achterbahnfahrt der beiden Protagonisten. Dabei werden ungewöhnlich mutig intime Themen angesprochen und verfestigte Rollenbilder aufgebrochen. Die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller beeindruckt, genauso wie die stimmige Inszenierung und Kameraarbeit.

Triumph des Schauspielers von Daniel Holzberg, Austria 2022, Filmakademie Wien

Kein Mensch wird dich jemals als Nazi besetzen! Diese Aussage trifft für alle deutsche Schauspieler mit Migrationshintergrund zu. Aber warum eigentlich? Ein Nazi ist doch mehr als blond und blauäugig, schauen Sie sich Hitler an. Ein Type-Casting ist eine feste Regel in der deutschen Filmlandschaft, obwohl Schauspielerei sich doch eigentlich durch Wandlungsfähigkeit auszeichnet. Mit einer klaren Mission tritt Schauspieler Ercan an – er will als Adolf seinen größten Triumph feiern.

Adjustment von Mehrdad Hassani, Iran 2021

Unsere lobende Erwähnung platziert die Suche nach der eigenen Identität in das Setting einer konservativen, intoleranten Dorfgemeinschaft. Das Coming-Out eines kleinen Jungen im Iran besticht durch erzählerische und ästhetische Geschlossenheit. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Junge sich für die Weiblichkeit entscheidet, findet am Ende bei einzelnen Menschen Akzeptanz und lässt die Hoffnung entstehen, dass sich die Gesellschaft irgendwann wandeln könnte.

Steakhouse von Spela Cadez, Slovenia, France, Germany 2021

Unsere lobende Erwähnung erzählt die verstörende Geschichte einer dysfunktionalen Beziehung, in der Dominanz und Unterordnung und die klassische Rollenverteilung ihre Positionen wechseln. In dieser sarkastisch-makabren Rachegeschichte, werden wir erst zum Lachen angeregt, am Ende aber durch die Entschlossen- und Abgeklärtheit der Hauptfigur mit einem Gefühl der Perplexität zurückgelassen. Gekonnt verzichtet der Film größtenteils auf Dialoge und vertraut ganz auf seine Bilder. Die zart wirkenden Zeichnungen und die liebevoll plätschernde Jazzmusik entpuppen sich schnell als Mittel zur Darstellung extremer Gefühlsexplosionen.

Demon Box von Sean Wainsteim, Canada 2023

Eine wilde und dynamische Mischung von Stilmitteln – Spielszenen, Dokumentaraufnahmen, Archivmaterial, Animationssequenzen. Eine Sprecherstimme kommentiert und ironisiert nicht nur den Inhalt, sondern auch die Gestaltung des Films. Ein Nazisoldat und ein animatronisches Rehmonster – das alles ergibt eine überraschend ruhige, einfühlsame und zutiefst persönliche Familiengeschichte über die Vererbung von Trauma.

Tschüss, war schön! von Simon Schares, Germany 2022,
Filmakademie Baden-Württemberg

Gestorben wird immer! Und damit ist der Tod nicht nur das, was uns mit finaler Sicherheit alle ereilen wird. Er ist auch ein Arbeitgeber für ganz verschiedene Berufszweige. Doch was, wenn meine Dokumentarfilmvorbereitungen über die Professionen nach dem Sterben mit einer Pandemie zusammentreffen? Der Dokumentarfilmer Simon Schares hat seine ganz eigene Antwort gefunden: dann sterbe ich einfach selbst!

Sirens von Ilaria Di Carlo, Germany 2022

Ein Blick von oben auf eine ungewöhnliche Landschaft. Was sehen wir hier? Zunächst befremdlich und karg, doch dann offenbart sich: Wir blicken auf Tagebaustätten. Es werden – zunächst nacheinander, dann immer mehr miteinander verwoben – weitere Kreisläufe offengelegt, Kraftwerke und Windparks. Mittels durchdachter Zooms und einer zirkulierenden Kameraführung in großer Höhe werden wir immer tiefer in die filmische Welt hineingezogen. Mit diesen präzisen, beeindruckenden Bildern, einer beunruhigenden, ja drohenden Soundkulisse und dem Verzicht auf eine klare geographische Einordung packt einen der Film SIRENS von Ilaria di Carlo und schafft es ganz ohne Worte, klare Haltung zu zeigen.

Gnomes von Ruwan Heggelman, The Netherlands 2022

Putzige bunte Pilzchen locken eine Joggerin von ihrem Pfad und zu ebenso putzigen (und technisch extrem gut umgesetzten) kleinen Stop-Motion-Zwergen. Aber wir sind im „Shock Block“ – und so mündet dieser angenehm knackige Sechsminüter schnell in einem ebenso brutalen wie unterhaltsamen Gemetzel und erzählt einen ganz eigenen Naturkreislauf. In Anbetracht der technisch tadellosen Umsetzung, der feinsten Gore-Effekte und des hohen Unterhaltungswerts vergeben wir eine lobende Erwähnung.

Tilt (D-A-CH Wettbewerb, Deutschland) von Björn Schürmann

Die Begründung der Jury:

Sanitäterin Anna kämpft darin nicht nur um die Bewältigung eines aus dem Ruder gelaufenen Rettungseinsatzes, sondern auch gegen die fortwährende Diskriminierung durch ihren Kollegen.
Ein dichter, kurzer Film, der ganz von der physischen Präsenz der Protagonistin getragen wird und zugleich einen kraftvollen Wirkungstreffer setzt gegen männliche Bevormundung.

Kaltmiete (Beste Komödie, Deutschland) von Marc Philip Ginolas,

Hochschule für Fernsehen und Film München

Die Begründung der Jury:

Ein obdachloser Altenpfleger wird in eine Abfolge von unangenehmen Situationen verwickelt, als am 100. Geburtstag seine reiche Patientin Geraldine an dem vom ihm gerollten Joint verstirbt und er ihren Tod mühsam zu vertuschen versucht.
Mit klassischen schwarzweiss Bildern, spritzigen Dialogen und herrlichem Humor erzählt „Kaltmiete“ von den Nöten der Wohnungssuche und Leichenentsorgung.

Memoir Of A Veering Storm (Internationaler Wettbewerb, Griechenland) von Sofia Georgovassili

Die Begründung der Jury:

Der Film schafft es auf berührende und zärtliche Weise, das Thema Schwangerschaftsabbrüche neu zu zeigen. Eingebettet in den poetischen Rahmen eines sich anbahnenden Sturms – symbolisch für die Abtreibung – bricht der Film mit überdramatisierenden Mustern. Statt den Prozess mit abwesenden Männerfiguren und stigmatisierenden Ärzten zu erzählen, begleiten wir den Konflikt der Hauptfigur mit unaufgeregtem Blick in seiner gesamten Komplexität.

Überleben (DOK Blocks, Deutschland) von Lara Milena Brose & Kilian Armando Friedrich

Hochschule für Fernsehen und Film München

Bato Nebo – Chants To The Gods (DaHome Award, Österreich) von Luzia Johow,

Filmakademie Wien

Die Begründung der Jury:

BATO NEBO spricht nur durch die mehrstimmigen Gesänge der Protagonisten zu uns und vermittelt über uralte Traditionen und eindrucksvolle Gesichter ein Gefühl von Heimat, das den Zuschauer mit einschließt.

Man Or Tree (Deadline_Award, Großbritannien) von Varun Raman & Tom Hancock

Die Begründung der Jury:

MAN OR TREE von Varun Raman & Tom Hancock ist urkomisches und existentialistisches Kino mit einfachsten Mitteln. Der verzweifelte Kampf eines Mannes – oder Baumes – um seinen eigenen Verstand.

The Seine´s Tears (Animationswettbewerb, Frankreich) von Yanis Belaid, Eliott Benard, Nicolas Mayeur, Etienne Moulin, Hadrien Pinot, Lisa Vicente, Philippine Singer, Alice Letailleur

Die Begründung der Jury:

Eine Geschichte aus der Geschichte, die gerade heute ihre Relevanz zeigt. Beeindruckend animiert und mit einem so verstörenden wie lyrischen Finale, das unter die Haut geht.